Seminarbericht: Empty Hands Knife Defense Coach Level I mit SC
Messerangriffe sind ein extrem ernstes Thema und sollten daher auch in Selbstschutzkonzepten berücksichtigt werden. Meiner Erfahrung nach wird dieser Bereich jedoch gern stiefmütterlich behandelt. Sei es, dass das Thema nur am Rande angekratzt wird oder dass Inhalte vermittelt werden, die in der Praxis kaum bestehen könnten.
Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, hat SC vor Kurzem eine eigene Seminar-Reihe zu dem Thema konzipiert.
Das Messerabwehr-Konzept von SC hat auch schon vorher zum Besten gehört, was ich in dem Bereich bislang gesehen habe. Dementsprechend habe ich am 18. und 19. Juli natürlich auch bei sommerlichen Temperaturen in Erlensee auf dem neuen "Empty Hands Knife Defense Coach Level I"-Seminar (zur Seminarbeschreibung) teilgenommen.

Street Combatives - Empty Hands Knife Defense
Hier ist mein Bericht über das neue Seminar. Ein Hinweis vorweg: Meine Meinung ist logischerweise nicht völlig unvoreingenommen. Ich bin selbst Coach bei SC und das Konzept hatte mich schon vorher überzeugt. Um meinem Fazit schon mal vorzugreifen: Ich kann das Programm definitiv empfehlen. Aber dazu später mehr - werfen wir erstmal einen Blick auf die Inhalte:
Tag 1
Der erste Tag begann mit einer allgemeinen Einweisung in die Thematik. Was für Arten von Stich- und Klingenwaffen gibt es? Wodurch unterscheiden sie sich? Und wichtiger: Welchen Unterschied sollte dies in der Verteidigung machen? Auf welchen Wegen kommen Messer überhaupt in eine Auseinandersetzung? Anhand dieser und weiterer Erwägungen wurden anschließend die Ziele und Prinzipien des SC-Ansatzes zur Messerabwehr erläutert.
Danach ging es direkt in die Praxis. Damit die Aufgaben nicht zu komplex werden, wurde das Training von innen nach außen aufgebaut: Als erstes wurde sich darauf konzentriert, einen einmal kontrollierten Messerarm auch unter Kontrolle zu halten. Danach ging es darum, den Angriff aus dieser Situation heraus zu beenden.
Was bedeuten Level I, II & III?
Das Messerabwehr-Konzept von SC gliedert sich in drei Level: Das hier beschriebene Level I schafft die Grundlagen zur Bewältigung von Messerangriffen.
Level II greift diese Basis auf und überträgt sie speziell auf besonders beengte Räumlichkeiten sowie Bodenlagen, wo durch die Umstände besondere Schwierigkeiten drohen.
Level III thematisiert schließlich den Einsatz von Schusswaffen zur Abwehr von Messerangriffen. Dieses Modul ist ausschließlich Berufswaffenträgern zugänglich, die diese Möglichkeit tatsächlich haben und auch haben dürfen.
Als diese Grundlage geschaffen war, wurde die Komplexität schrittweise erhöht: Wie lässt sich ein Messerhieb oder -stich überhaupt abwehren? Wie kann man den angreifenden Arm mit der Waffe unter Kontrolle kriegen? Woran ist der Griff nach einem Messer zu erkennen? Wann und wie lässt es sich vielleicht verhindern, dass das Gegenüber überhaupt ein Messer zieht?
Aus diesen Themen ging es in allgemeineres Kontaktmanagement über: Wie verhalte ich mich generell gegenüber potentiell bedrohlichen Personen? Wie bewege ich mich, wie wahre ich Abstand, wie verhalte ich mich gegenüber Gruppen? Was unterscheidet Kontakt- von Gefahren- und Gewaltmanagement?
Zum Abschluss des Tages wurde dem Angreifer die Freiheit gegeben, zusätzlich zum Messereinsatz auch zuschlagen zu dürfen. Hier zeigte sich, dass das Konzept auch dann noch umsetzbar ist. Dies liegt unter anderem daran, dass es dem Angreifer durch das Verteidiger-Verhalten deutlich erschwert wird, überhaupt frei agieren zu können.
Tag 2
Nach einem lockeren Aufwärmen mit den Elementen des Vortags ging es am zweiten Tag mit einer anderen Situation weiter: Was ist, wenn ein Messer erst in einer körperlichen Auseinandersetzung gezogen wird? Wie lässt sich solch ein Zugriff erkennen, wann und wie lässt er sich verhindern oder wie lässt sich das gezogene Messer aus dieser Lage heraus unter Kontrolle bringen?

Gegenseitige Hilfe beim Anlegen der Spartan-Anzüge
Das nächste große Thema war offensive Messernutzung. Hierbei ging es allerdings nicht darum, tatsächlich ein Messer in der Selbstverteidigung zu nutzen. Vielmehr ging es um eine realistischere Vorstellung von der möglichen Wucht und Intensität eines solchen Angriffs. Und wenn ich mir die vielen "Messerabwehr"-Videos bei Youtube angucke, deren Inhalt nur "funktioniert", weil der Angreifer sich langsam und kraftlos bewegt oder gleich ganz still hält, dann hat das Thema definitiv seine Berechtigung in diesem Seminar.
Das Ziel des Seminars ist nicht nur, das SC-Konzept zur Messerabwehr selbst zu erlernen. Wie das Wörtchen "Coach" im Seminar-Namen andeutet, geht es auch darum, dieses Wissen selbst weiter vertiefen und anderen vermitteln zu können.
Den Tagesabschluss machten dementsprechend Erörterungen zur Trainingsgestaltung: Unter anderem ging es um die sinnvolle Gestaltung von Szenarien, die Unterschiede zwischen Szenariotraining und Simulationen, Sicherheit im Training und die Vorstellung verschiedener weiterführender Drills.
Fazit
Kurz: Man kann definitiv 16 Stunden nur mit dem Thema Messerabwehr verbringen. Die Herangehensweise, ein zweitägiges Seminar nur zu diesem Thema zu stricken, hat mich überzeugt. Wie man hoffentlich an den dargestellten Inhalten sehen kann, hat das Thema viel zu viele Facetten, um es mal in 30 Minuten am Rande abzuarbeiten.
Mir persönlich waren die meisten Punkte inhaltlich schon bekannt. Die Auffrischung und Vertiefung tat trotzdem gut. Und darüber hinaus gilt: Üben übt. Dadurch, dass das SC-Konzept immer wieder auf die gleichen Elemente zurückgreift und sehr viel frei trainiert wird, kommt man in zwei Tagen auf eine hohe Trainingsintensität.
Hier noch einige weitere Punkte, die mir gut gefallen haben:
Schlüssigkeit: Es handelt sich nicht nur um eine Aneinanderreihung von Tricks, Techniken und Kniffen. Das Konzept von SC bietet eine stringente Vorgehensweise ab dem Moment, in dem möglicherweise ein Messer in der Auseinandersetzung auftaucht. Aus diesem Grund lässt es sich meiner Meinung nach auch gut in andere Systeme integieren.
Kontaktmanagement: Aus meiner Sicht beginnt Selbstverteidigungstaining zu oft mit einer körperlichen Auseinandersetzung. Eine mögliche Vorphase wird entweder gar nicht betrachtet oder mit einem kurzen "sich gegenüber stehen" abgetan. Hier hebt sich SC sehr wohltuend ab.

Kleine Einblicke in die Schwierigkeiten bei Messerabwehr in beengten Räumlichkeiten
Teachbacks: Das Seminar soll nicht nur Messerabwehr, sondern auch eine gewisse Trainingskompetenz vermitteln. Demzufolge müssen die Teilnehmer die Inhalte auch im Seminar selbst vorstellen. Das vertieft sowohl das Material selbst, als auch das Vermitteln. Auch darüber hinaus gab es nützliche Informationen zur Gestaltung von Trainings.
Alles in allem kann ich diese zwei Tage rundum empfehlen. Wer sich ernsthaft mit dem Thema befassen möchte, bekommt hier ein aufeinander abgestimmtes Rundum-Paket, das wirklich viele wichtige Aspekte aufgreift und berücktsichtigt.
(Nicht bekommen wird man dagegen bescheuerte Versprechen, mit dieser Lösung müsse man keine Angst vor Messern haben, sei völlig sicher oder ähnlichen Quatsch. Messerangriffe sind ein düsteres Thema, bei dem es nur darum geht, hoffentlich lebendig aus der Situation heraus zu kommen. Und wenn ich an das ein oder andere Gesicht bei dem Thema "offensive Messernutzung" zurück denke, dann wurde dieser Aspekt auch deutlich.)
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