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Kann Dir ein Jahresrückblick bei der Trainingsgestaltung helfen?

Es ist Januar: Der erste Monat im neuen Jahr. Der typische Zeitpunkt für Neujahrsvorsätze, Fitnessstudio-Anmeldungen, Ernährungsumstellungen und ähnlich große Vorhaben.

Silvester und neue Trainingsvorsätze

Neujahr: Ein guter Zeitpunkt für neue Trainingsvorsätze...? Aber woher weißt Du überhaupt, was Du Dir vornehmen solltet?

Gehörst Du zu den Personen, die sich zum Jahreswechsel gute Vorsätze auf die Fahnen schreiben? Oder kannst Du mit Neujahrsvorsätzen nichts anfangen? Zum Glück ist es ganz egal, in welches Lager du fällst: Dieser Artikel befasst sich weniger mit guten Vorsätzen, als einer anderen Angewohnheit, die ich persönlich viel sinnvoller finde - dem Jahresrückblick.

Das Problem hinter "guten Vorsätzen"

Der Sinn eines guten Vorsatzes ist logisch: Ich möchte etwas in meinem Leben ändern. Möglicherweise möchte ich in irgendeinem Bereich noch besser werden. Vielleicht möchte ich aber auch etwas ändern, weil ich sehr unzufrieden bin.

Aber wie durchdacht sind die meisten Änderungsvorhaben tatsächlich?

Ich habe den Eindruck, dass "gute Vorsätze" manchmal aus einer Laune heraus entstehen. Es handelt sich dabei leider mitunter um etwas voreilige Schnellschüsse. Zweifellos sind das gut gemeinte Schnellschüsse, aber das ändert nichts daran, dass sie eventuell voreilig gefasst wurden. Ist es dann ein Wunder, dass sie nicht lange durchgehalten werden?

Und andersherum gefragt: Wie viele Leute ändern nichts an ihrem Verhalten, obwohl sie im Grunde ihres Herzens mit vielen Dingen in ihrem Leben unzufrieden sind? 

Meiner Meinung nach wird in beiden Fällen der zweite Schritt vor dem ersten gemacht.

Macht es nicht deutlich mehr Sinn, erstmal in Ruhe über die Vergangenheit nachzudenken, bevor Du Dir neue Vorsätze vornimmst oder darauf verzichtst?

Eine Alternative zu vorschnellen Vorsätzen: Der Jahresrückblick

Am Jahresanfang nehme ich mir gern die Zeit für einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Mir bringt diese Angewohnheit extrem viel, aus diesem Grund stelle ich sie hier vor.

Der Zeitpunkt ist natürlich völlig irrelevant: Ich könnte auch an jedem anderen Datum auf die vergangenen 12 Monate zurückblicken. Der Januar fühlt sich für mich persönlich einfach passend an. Außerdem ist der Jahreswechsel eine gute Erinnerung: Einen Termin Mitte August würde ich womöglich einfach "verschlafen."

In diesem Rückblick denke noch einmal in aller Ruhe über das vergangene Jahr nach:

  • Was ist alles passiert?
  • Hatte ich mir etwas vorgenommen?
  • Was habe ich geschafft? Was nicht? Warum nicht?
  • Womit bin ich zufrieden? Womit nicht?
  • Was hat sich im Nachhinein als Fehler heraus gestellt?
  • Was war gut? Gab es positive Überraschungen?
  • Was bereue ich?
  • Was habe ich für die Zukunft gelernt?

Der Nutzen eines Jahresrücklicks

Ein solch gründlicher Jahresrückblick hat drei Vorteile:

1. Er ist Lehrreich

Der menschliche Verstand ist hervorragend darin, Muster und Zusammenhänge zu erkennen sowie Probleme zu lösen. Wenn Du Dir die Zeit nimmst, in aller Ruhe sachlich über die Vergangenheit nachzudenken, wirst Du vermutlich etwas dazu lernen.

Vielleicht fallen Dir lang verdrängte Vorsätze wieder ein. Stehst Du Dir möglicherweise in manchen Punkten selbst im Weg? Oder hast Du mehr geschafft, als Du gedacht hättest? Hast Du Dich irgendwo schleichend verbesserst und bist schon viel weiter gekommen, als Du es früher für möglich gehalten hättest? 

Es ist leicht, immer nur auf Schlechtes zu achten - Schau auch nach positiven Dingen!

2. Er kann dabei helfen, sinnvolle Vorsätze zu fassen

Falls Du Dir gute Vorsätze schaffen möchtest, kannst Du danach viel besser beurteilen, was wirklich wichtig ist. Manchmal brennt einem zwar ein bestimmter Punkt auf der Seele, aber es gibt im Grunde viel entscheidendere Themen.

Außerdem kann ein Rückblick daran erinnern, wie chaotisch das Leben mitunter ist: Ist es realistisch, dass Du Deine gefassten Vorsätze auch umsetzen kannst?

Dich selbst zu fordern ist lobenswert - Aber wenn Du Dich von vornherein übernimmst, hast Du die spätere Entschäuschung schon programmiert.

Passen Deine Ziele zu Dir?

Manche Leute kommen am Besten mit kleinen Schritt-für Schritt Vorhaben voran. Andere Leute brauchen die Motivation von ambitionierten, ehrgeizigen Zielen, um sich auch wirklich zusammenzureißen. 

Zu welchem Typ gehörst Du?

3. Er erinnert an die eigenen Werte und Prioritäten

Ich finde einen solchen Rückblick auch gerade dann wertvoll, wenn man mit Vorsätzen nichts anfangen kann. Denn oft braucht es im Leben gar keine großen Vorsätze. Im Grunde weiß man ja meistens, wie man sich verhalten möchte. Oder man ist mit seinem Verhalten im Großen und Ganzen einfach zufrieden.

Doch auch dann ist ein Jahresrückblick eine gute Erinnerung an die eigenen Werte, Vorstellungen und Prioritäten. Und mehr braucht es manchmal gar nicht. Beim nächsten Einkauf erinnerst Du dich möglicherweise wieder etwas mehr daran, wie Du Dich eigentlich ernähren möchtest - und lässt ein paar ungesunde Sachen weg. Wenn Du das nächste Mal während des Trainings auf das Handy schauen möchtest, fällt Dir wieder ein, dass Dich genau dies Verhalten ja selbst stört - und Du lässt es sein.

Das Ergebnis sind möglicherweise viele kleine Verbesserungen, ganz ohne große Vorsätze.

Die Vorgehensweise

Vorbereitungen

Es gibt natürlich keine in Stein gemeißelte Vorgaben für einen Jahresrückblick. Der folgende Ablauf funktioniert für mich persönlich sehr gut. Falls etwas Deinen eigenen Vorlieben widerspricht, ändere es einfach ab.

 Ich bin eher ein Abend- als ein Morgenmensch, deshalb suche ich mir einen ruhigen Abend, an dem keine anderen Dinge anstehen. Zeitdruck, Ablenkung und Stress wären für solch einen Termin absolut kontraproduktiv. Persönlich gönne ich mir zu dem Anlass gerne ein Glas guten Whisky oder zwei, aber das ist natürlich nicht obligatorisch.

Außerdem schnappe ich mir einen Stift und einen Stapel mit Schmierzetteln. Notizen helfen mir aus zwei Gründen: Zum einen kann ich neue Gedanken so gleich fixieren, die ich sonst vielleicht schnell wieder vergessen würde. Zum anderen helfen sie mir später dabei, das große Gesamtbild zu betrachten.

Sinnvoll: Notizen

Welche Themen kommen in Betracht?

Als erstes überlege ich, welche Bereiche ich betrachten möchte: Im Sinne dieses Artikels geht es logischerweise um das eigene Training oder eine sportliche Entwicklung. Aber natürlich kannst Du genauso auch über Freundschaften, Familie, Beruf oder jedes andere Thema nachdenken, das Dich beschäftigt.

Ich schreibe gleich jedes Thema auf einen eigenen Schmierzettel. Oft kommen mir Gedankenblitze zu ganz unterschiedlichen Bereichen. Auf diese Weise kann sie gleich  auf dem passenden Zettel notieren.

Welche Fragen stellen sich?

Dann fange ich mit irgendeinem Thema an: Welche Fragen finde ich wichtig? Was beschäftigt mich? Was fand ich gut? Was hat mich gestört? Oft schreibe ich die Fragen noch auf, die mir so einfallen. Ab hier habe ich keine klare Struktur mehr, sondern notiere einfach alles, was mir zu dem Thema und meinen Fragen wichtig erscheint und noch so einfällt.

Über welche Punkte könnte man rund um Trainingsgestaltung nachdenken? Hier sind einige Anregungen:

  • Wie viel Zeit hattest Du für Training? Hast Du Dir Zeit genommen?
  • Hast Du Fortschritte gemacht?
  • In welchen Bereichen: Kraft? Ausdauer? Techniktraining? Beweglichkeit? Etwas anderes?
  • Hast Du Dich verletzt? Wie bist Du mit Verletzungen umgegangen?
  • Wie hast Du Dich ernährt?
  • Wolltest Du über den Tellerrand gucken und Dir etwas Neues anschauen?
  • Gibt es Defizite in Deinem Training?
  • Wie steht es um die Stimmung in Deiner Trainingsgruppe, falls Du eine hast?

Anhand solcher Fragen arbeite ich ein Thema nach dem anderen durch.

Wie lassen sich die eigenen Feststellungen bewerten?

Ich betrachte all meine Feststellungen aus zwei Perspektiven:

 Einerseits wähle ich einen pragmatischen, realistischen Blick: Es ist beispielsweise nicht immer alles möglich. Ein Tag hat immer nur 24 Stunden. Manchmal hat man einfach keine „Energie“ mehr für bestimmte Vorhaben. Es geht mir nicht darum, mich selbst fertig zu machen und schlecht zu reden, sondern um eine sachlich-nüchterne Bestandsaufnahme. Dazu gehört nicht nur Selbstkritik, sondern auch die Gründe hinter den Entwicklungen.

Andererseits möchte ich meine eigenen „Begründungen“ sehr wohl kritisch hinterfragen. Der Mensch ist kein rationales, sondern ein rationalisierendes Wesen. Es gibt einen Unterschied zwischen Gründen und Ausreden. Welchen Nutzen hat es, wenn ich meine eigenen Ausreden und Entschuldigungen selbst glaube? (Eine mögliche Antwort: Es ist bequem und tut vielleicht weniger weh.)

Am Ende schaue ich nochmal über alle Schmierzettel und markiere mir die wichtigsten Punkte. Was ist mir aufgefallen? Möchte ich daraus Konsequenzen ziehen?

Fazit

Für mich ist ein Jahresrückblick ein tolles Werkzeug. Er hilft mir, mein Leben in die Richtung zu lenken, in die ich mich bewegen möchte. Ich stehe mir nicht gern selbst im Weg und bin ungern nur ein Spielball des Zufalls. Geht es Dir genauso? Dann solltest Du Dir auch mal die Zeit für einen gründlichen Rückblick nehmen.

Ein Rückblick bietet Orientierung

Natürlich lässt sich das Leben nicht einfach "berechnen" und nach Belieben steuern. Ein regelmäßiger Rückblick hilft jedoch dabei, die Stellschrauben ausfindig zu machen, die Du selbst beeinflussen kannst.

Dementsprechend hilfreich kann er auch bei der Trainingsgestaltung sein. Wer einfach nur ein bisschen Sport machen möchte, für den ist ein regelmäßiger Rückblick vielleicht nicht so wichtig. Aber falls Du auf etwas hinarbeiten und dich verbessern möchtest, dann ist ein gründlicher Rückblick ein sehr wertvolles Trainings-Werkzeug. Er schafft die Basis für weitere Pläne oder gibt Dir die Sicherheit, dass Du noch auf dem richtigen Weg bist.

Viel Erfolg!

Wie sind deine Erfahrungen mit einem Jahresrückblick? Was hältst Du davon? Hat es Dir geholfen oder hast Du Zweifel? Egal welche Anmerkungen Du hast: Ich freue mich, von Dir zu hören!