Seminarbericht: Lee Morrison – Psychology of Combat 2014
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, im Dezember viel an dieser Seite zu basteln. Damit muss ich wohl einen Zahn zulegen, denn erstmal war ich eine Woche nach der SC Coach Cert gleich auf dem nächsten Seminar: Wieder in Erlensee, aber diesmal mit Lee Morrison als Referent.
Lee Morrison? Psychology of Combat?
Wer ihn nicht kennt: Lee ist ein britischer Trainer. Er hat eine Menge Erfahrung mit unterschiedlichen Kampfsportarten, aber sein Training ist aus anderen Gründen interessant:

Lee Morrison (auf einem anderen Seminar)
Lee ist unter sehr rauen Umständen in Ost-London aufgewachsen und hat danach lange Zeit als Türsteher in einem ebenso rauen Umfeld gearbeitet. Lee Morrison hat in seinem Leben viele Erfahrungen mit Gewalt gemacht und dies spiegelt sich in seinem Training wieder.
Das Thema der zwei Tage lautete “Psychology of Combat”, kurz Psy-Com. Laut Lee unterrichtet er dieses Modul normalerweise nicht auf Seminaren, weil er die Teilnehmer nicht kennt und sie dadurch nicht gut einschätzen kann. In diesem Fall hat er zum Glück eine Ausnahme gemacht, weil viele der Teilnehmer zum wiederholten Mal da waren und die Organisatoren sich ausdrücklich dieses Thema gewünscht hatten.
Tag 1: Training und Gewalt
Am ersten Tag erläuterte Lee die Unterschiede zwischen oft sterilem Training und realer Gewalt. Der Schwerpunkt lag auf den Auswirkungen von Stresshormonen und Aggression. Die Praxis bestand aus Übungen zur Gewöhnung an Stress, Verwirrung, Aggression, Schmerz und Erschöpfung sowie der Entwicklung von Durchhaltewillen. Lee vertritt den Standpunkt, dass Training die Teilnehmer in diesen Bereichen “impfen” muss, damit sie davon in einer realen Auseinandersetzung nicht überwältigt werden. Dementsprechend streute er immer wieder zusätzliche Hinweise zu Steigerungsmöglichkeiten und passender Trainingsgestaltung ein.
Tag 2: Aufmerksamkeit und Gefahrenerkennung
Der zweite Tag befasste sich mit “Awareness and Threat Recognition”, also Aufmerksamkeit und Gefahrenerkennung. Dieses Thema halte ich für äußerst wichtig. Je früher man drohenden Ärger bemerkt, desto mehr Optionen hat man. Geht es bei Selbstverteidigung darum, möglichst sicher zu leben? Dann gehört dieses Thema unbedingt in das Training. Um es sinngemäß mit Lees Worten zu sagen:
Woher kommt der Gegner, der einen im Training ‘"plötzlich’"angreift? Er beamt sich wohl kaum wie in Star Trek plötzlich her - Also warum hat man nicht vorher irgendwas unternommen?
Natürlich kann man auch überrascht werden. Aber das ändert nichts daran, dass man vielen Dingen im Vorfeld aus dem Weg gehen kann. Dazu muss man allerdings aufmerksam sein und vor allem auch wissen, woran man drohenden Ärger erkennen kann. Gutes Training sollte beides umfassen. Neben der “Theorie” gab es natürlich wieder verschiedene Übungen zu unterschiedlichen Situationen.
Zum Abschluss des Seminars gab es noch einen kleinen Einblick in Situationen mit mehreren Gegnern. Auch hierzu hatte Lee ein paar nützliche Tipps.
Fazit
Es war mein zweites Seminar mit Lee Morrison und ich bin sehr zufrieden gewesen. Lee ist ein guter Trainer und vermittelt schlüssige Inhalte. Der zweite Lehrgang enthielt dank dem Thema “Psy-Com” viele Vorträge, aber genau dieses Wissen nützt höchstwahrscheinlich mehr, als immer noch weitere Techniken zu lernen.
Für mich war es jedenfalls ideal: Wegen einer Schulterverletzung konnte ich einige Praxisteile nicht vollständig mitmachen. Das war bei diesem speziellen Seminar zum Glück ziemlich egal.
Mich haben die zwei Tage mit Lee jedenfalls darin bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein. Manches war neu, aber vieles erfreulicherweise auch schon bekannt. Teilweise nutze ich andere Begriffe, zum Beispiel verstehe ich unter “social violence” und “predator” etwas anderes – aber was macht das schon? Entscheidend ist das Verständnis und nicht die Bezeichnungen. Ich kann Seminare mit Lee jedenfalls empfehlen. Dank seinem Lebenslauf bringt er jede Menge Erfahrung mit, die unheimlich wertvoll sein kann.
Weiterlesen...?
Neue Artikel:
Besonders lesenswert: